Herzlich oder gar nicht
Die Gastronomie existiert momentan nur in Form von Take–Away. Gewisse Betriebe betreiben das «Covid–Gastro» mit viel Erfolg. Für die Gäste ist es schon fast normal: Man bestellt, bezahlt, holt es ab und geniesst zuhause, im Garten, im Schnee, im Auto oder wo es gerade passt. Die Gastronomie wurde zum «Foodsupply» degradiert. Die einzige Interaktion die man als Gast mit dem Wirt noch hat, ist entweder übers Telefon beim Bestellen und beim Abholen. Die Gespräche sind jedoch meistens kurz und der Fokus des Gastes liegt auf dem Essen und nicht auf der Kommunikation. Das Erlebnis und die dazu gehörenden Emotionen macht sich der «Gast» selbst.
Dies ist eine Art neue Welt der Gastronomie und wird auch nicht wieder so schnell verschwinden. Denn die Qualität im Take–Away hat zugenommen, es ist möglich geworden, «Gault Millau» Essen abzuholen und zuhause in Trainerhosen zu geniessen.
Doch aufgepasst: Gastronomen werden nach der Krise umso mehr gefragt sein!
Was die Gastronomie ausmacht ist die Gastfreundschaft. Neben dem Handwerk Kochen ist die Gastfreundschaft der Kern jedes Gastrounternehmers. Wie diese umgesetzt wird, ist sehr unterschiedlich. Es gibt die klassische Gastronomie. Teller von rechts, Wein von rechts, Plattenservice von links, usw.. Dies gehört zum Handwerk jedes Servicemitarbeiters und dies korrekt ausgeführt benötigt Fingerfertigkeit und Können. Wie der Koch sein Messer in der Hand hält, so weiss ein Servicemitarbeiter wie man welchen Wein einschenkt, in welches Glas welche Spirituose kommt, welche Emotionen zu welchem Gast passend sind usw. Ich bin der Meinung, auch der Service ist ein Handwerk, welches aber oft unterschätzt wird, denn was in der Küche das Vereinen von verschiedenen Komponenten wie Lebensmittel, Gewürzen und Kocharten ist, ist im Service die Vereinigung von traditionellen Serviceregeln, Auftreten, Kommunikation und Emotionen in einer dienenden Art und Weise.
In der Küche wird mit Feuer gekocht und dieses mit dem Service zum Gast transportiert. Dieses Feuer wird jedoch grösstenteils nicht durch das Perfekte nach Lehrbuch, sondern durch die Art wie es gemacht wird – mit dem Öffnen des Herzens entfacht. Und genau nach diesem «bedient werden mit Herz» sehnt sich die Gesellschaft mehr denn je.
Durch Herzlichkeit werden Verbindungen geknüpft. Es werden Emotionen freigesetzt. Erst durch herzliche Gastfreundschaft fühlt man sich richtig aufgehoben. Die Menschen wollen das Leben wieder spüren, zusammen sein, Freude teilen, sich verwöhnen lassen, Positives erleben und Corona auch mal vergessen. Nach monatelangem «digitalen Socializing» sehnt man sich nach echten Begegnungen. Denn erst durch echte Begegnungen werden Verbindungen wirklich eingegangen und gefestigt.
Grosse Chance für die Gastronomie
Dies sind grosse Chancen für die Gastronomen. Doch aufgepasst. Gut reicht nicht mehr aus. Gutes Essen kann man überall abholen und irgendwo geniessen, dazu braucht man keine Gaststätte. Wenn man sich nach der Krise den Luxus leistet und auswärts isst, dann möchte man Schönes erleben. Man sucht die Verbindung, man sucht die positiven Emotionen. Man sucht Gastfreundschaft mehr denn je.
Somit werden insbesondere diesen Sommer freundliche, herzliche, und authentische Gastronomen den gewünschten Erfolg haben. Denn man geht dorthin, wo es ehrlich und verständlich ist.
Herzlichkeit wird gewinnen
Die Herzlichkeit wird noch viel zentraler, als dass sie es eigentlich schon war. Um zu den Gästen eine nachhaltige Verbindung aufzubauen, benötigt es ein positives Gefühl am Ort des Geschehens, damit die gute Erinnerung bleibt und im besten Fall sogar weitergetragen wird. Das Schaffen von kleinen Wohlfühloasen im Alltagstrubel bietet den berühmten Schlüssel zum Erfolg. Und diese Wohlfühloasen werden mit Gastfreundschaft der sogenannten Herzlichkeit geschaffen, denn alles andere kann digital oder in seinen eigenen vier Wänden genossen und konsumiert werden. Doch Herzlichkeit und ein Gefühl der «Willkommenheit» wird man nur als wirklicher Gastgeber transportieren können.
Fabienne Ballmer