Die Illusion der ewigen Positivität



Mich beschäftigt ein Thema, das mir immer wieder auffällt und begegnet. Vielleicht geht es anderen genauso. Es geht um diese übertriebene Positivität, die überall präsent ist. Alles muss heute positiv sein. Negative Gedanken? Kritische Reflexionen? Realistische Analysen? Kein Platz mehr dafür. Ich beobachte das auch bei meinen Kunden – wie genau dieser Druck, immer positiv sein zu müssen, für viele zum Stress wird. Wie sie sich dadurch immer mehr von sich selbst entfernen. Und Hand aufs Herz: Permanente Positivität ist doch auch ziemlich beschränkt!

Wer nicht permanent positiv denkt, wer nicht immer ein Lächeln aufsetzt und voller Enthusiasmus durchs Leben geht, scheint irgendwie versagt zu haben. Von positivem Körpergefühl bis hin zum Hip der positiver Führung oder Leadership. Alles nach dem Motto: Positivity is a mindset.
Doch ist es wirklich so einfach?!

Und: Trotz all dieser Positivität sind so viele Menschen unsicher. Sie wissen nicht, wie sie mit ihrem Leben oder mit schwierigen Situationen umgehen sollen. Wenn man mit ihnen spricht und genauer hinschaut, sieht man, dass vieles gar nicht so positiv ist, wie es scheint. Es erinnert mich an diesen ständigen Optimierungswahn. Alles muss perfekt sein. Der Körper, die Gedanken, die Karriere, die Beziehungen – eine endlose Jagd nach einem Ideal, das es so gar nicht gibt.

Doch was ist mit Echtheit? Mit echten Gefühlen, mit Höhen und Tiefen? Mit ehrlichen Gesprächen über Zweifel und Unsicherheiten? Vielleicht wäre es an der Zeit, Positivität nicht als Zwang, sondern als Möglichkeit zu sehen. Vielleicht müssen wir nicht immer strahlen, sondern dürfen auch einfach mal sein – mit allem, was dazugehört.

Nur wenn man es wagt, auch mal zum Negativen zu stehen und das in einem Gespräch erwähnen darf, haben wir die Möglichkeit, gemeinsam zu wachsen. Es muss nicht immer bedeuten, dass alles schlecht ist oder dass es keine Lösungen gibt – sondern genau durch diese ehrliche Auseinandersetzung entsteht das Potenzial, wirklich zu wachsen.

Denn nur die ehrliche Auseinandersetzung mit uns selbst bringt uns schlussendlich weiter. Vielleicht wurde das, was wir einst für die Lösung aller Probleme hielten, längst zu unserem grössten Fluch. Und vielleicht liegt die wahre Lösung nicht im ewigen Positivsein, sondern darin, zu lernen, auch mal «Schweres“ auszuhalten – und daran zu wachsen.