Ehrenamt oder work – life – balance?

Oder beides zusammen? Corona hat vieles verändert. Vielleicht nehmen wir vieles gar nicht so bewusst war. Ein Thema welches mich sehr beschäftigt, ist das Vereinsleben und die ehrenamtliche Arbeit. Selbst seit 5 Jahren amtierende Präsidentin eines Skivereins im Baselbiet. Ja genau Skivereins in der Region Basel!
Da könnte man sich jetzt fragen, funktioniert dies noch? Stolz darf ich sagen. JA – und zwar ist unser Nachwuchs seit Jahren zunehmend. Wir führen sogar noch eine «Racingabteilung». Ok, vielleicht sind da wirklich die sehr angefressenen Kinder und Familien dabei. Doch ohne «Racingabteilung» wären wir schon lange zur Skiriege mutiert, die 1-2 Funweekends pro Jahr organisiert. Auch dies ist wichtig. Um eine Sportart jedoch zu fördern und auf nationaler wie auch internationaler Wettkampfebene an der Spitze zu sein, braucht es die Basisarbeit der Vereine und die Förderung von Nachwuchs im Wettkampfbereich.

Doch genau diese Basisarbeit, wo der Spass und die Freude am Sport im Zentrum steht, und trotzdem Nachwuchs gefördert wird, kann sehr aufwendig sein.
Ohne Sponsoren wäre es nicht mehr denkbar, ohne J&S und somit den Bund schon gar nicht. Es braucht ein Leiter- oder Trainerteam. Dazu müssen diese stetig aus- und weitergebildet werden. Es braucht ein funktionierendes Vereinsleben, vielleicht auch verschiedene OK’s für die Wettkampforganisation, denn Wettkämpfe auf diesem Niveau sind ja auch alle auf Freiwilligenarbeit basierend. Und so hat sich ein Verein die letzten Jahre, gerade weil er auf finanzielle Hilfe angewiesen ist, um überhaupt ein Angebot zu bieten, welches für alle Einkommensklassen stemmbar ist, in diversen Sparten professionalisiert. Wenn man Sponsoren möchte, braucht man einen gescheiten und vertrauenswürdigen Auftritt. Es braucht Konzepte usw.

Doch auch die Anforderung an ein Trainerteam nimmt laufend zu. Die Arbeiten können fachlich erledigt werden. Doch oft ist der Faktor Zeit das Problem, da unsere Terminkalender schon bis an den Rand gefüllt sind. Der Druck in den Jobs hat zugenommen und das Bedürfnis nach Individualität und mehr Zeit für sich hat zugenommen. Z.B. Trainer, die die Wochenenden auf dem Schnee stehen – bei jedem Wetter. Die Verantwortung zu übernehmen, Kinder von A nach B mit einem Bus zu chauffieren, ist nicht zu unterschätzen. Abgesehen von der ganzen Organisation rund um das eigentliche Training. Um an J&S (Jugend und Sport) Gelder zu gelangen, braucht es einen J&S Coach, welcher Qualitätskontrolle durchführen muss und zudem einige Formalitäten erledigt haben sollte, damit man finanziell unterstützt wird.

All diese Arbeiten werden vielerorts im Ehrenamt erledigt. Bis Corona war es zwar immer mal wieder ein Thema. Doch Corona hat uns gelernt, dass es auch ohne Veranstaltungen und vorgegebene Events möglich ist. Dass man seinen Terminkalender vielleicht lieber selbst gestaltet als noch neben der Arbeit von einem Vereinsleben getrieben ist. Wir haben vielleicht gesehen, dass das Leben auch ohne Vereinsaktivität läuft. Man hat sich andere Hobbys gesucht. Vielleicht hat auch der eine oder andere in dieser Zeit komplette Veränderungen vollzogen und dadurch sein Amt niedergelegt.

Work – Life – Balance ist und wird immer wichtiger. Dies kann man gut finden, doch bewusst sein muss man sich, die Vereine leider zum Teil sehr unter diesem Phänomen. Und ich stehe dazu, auch ich habe mir in dieser Zeit einige Gedanken darüber gemacht und bin auch nicht mehr zu jedem Preis bereit, mich «aufzuopfern». Sind wir ehrlich, vielen geht es ähnlich, man weiss, es braucht ehrenamtliche Arbeit, doch am Schluss muss man selbst schauen, dass man alles unter einen Hut packen kann. Ich spreche übrigens nicht von grossen Vereinen mit grossen Sponsoren, ich spreche von den vielen kleinen, die um jeden Franken kämpfen, ein breites Angebot bereit stellen und damit ein Teil der Basis unseres Leistungs- und Spitzensport legen.

Doch wie überleben die Vereine in Zukunft? Wie können wir das so wichtige Sozialgebilde in der Schweiz schützen? Und wie können wir ehrenamtliche Arbeit attraktiv halten? Vielleicht sind dabei auch Arbeitgeber gefordert? Oft ist ein Mitarbeiter, der nebendran ein solches Amt inne hält, ein guter und vielseitiger Mitarbeiter.
Doch müssen wir uns vielleicht auch bewusst werden, dass man Vereine nicht mehr gleich organisieren kann wie noch vor 20 Jahren. Dass Arbeit vielleicht auf mehrere Schultern verteilt werden müsste. Vielleicht gibt es auch Arbeiten, die im Ehrenamt kaum mehr zu bewältigen sind. Dies könnte ja auch neue Geschäftsmodelle ergeben. Vielleicht stellen sich Menschen für gewisse Arbeiten entgeltlich zur Verfügung.

Um vorwärts zu gehen und nicht stehen zu bleiben braucht es manchmal jedoch auch kleinere Schritte zu gehen. Alles ist besser als aufzugeben oder einfach stehen zu bleiben. In anderen Worten; kleinere Brötchen backen. Anstatt etwas ganz zu beerdigen, vielleicht das machen, was man mit den vorhanden Ressourcen machen kann. Ein Lager weniger, ein Anlass weniger – usw.. Doch der Verein geht weiter. Der Verein kann weiter eine Grundlage bilden und vielen jungen Menschen den Zugang zum Sport ermöglichen. Neben dem Zugang oder dem Erlernen einer Disziplin darf man den sozialen Aspekt nicht ausser Acht lassen.
In Vereinen profitiert man zuerst selbst und später ist man in einem Amt tätig, um etwas zurück zu geben. Ein Verein kann auch eine Art «Lehrstelle» für das Berufsleben sein. Um dies zu realisieren, braucht es jedoch oftmals Vorbilder. Wenn alle nur noch von «Work – life – Balance» sprechen und nicht für Kompromisse bereit sind oder auch eigene Wege gehen, wird die Grundidee der Gemeinschaft nicht weitergegeben.

Darum motivieren wir unseren Nachwuchs in einem Verein mitzuwirken. Da geht es nicht nur ums Siegen, sondern auch Teil von etwas ganz Grossem zu sein. Dieses ganz Grosse ist vielleicht auch unser Sozialsystem. Unser System, wo alle eine Chance erhalten. Dies könnte der Sinn des Ehrenamtes sein. Den Sinn diese Art von Gemeinschaft unseren Nachkommen weiter zu geben. Doch sind wir uns auch bewusst, dass die Strukturen und die Bereitschaft der «Aufopferung» vielleicht nicht mehr genau gleich sind wie noch vor einigen Jahren.

Packen wir es an. Verbinden wir Ehrenamt mit Work-Life-Balance und einer Professionalität, die es braucht, um eine Basis für Sport und Kultur zu bilden und führen wir die Vereine mit neuen Strukturmodellen weiter in die Zukunft!

Für mehr Wandel oder Anstösse, Impulse oder Begleitung.