Für meine Tochter Giulia – ein Beweis dafür, was Wille bewirken kann

Giulia kam zur Welt, als ich selbst noch in der Ausbildung war – somit lebte ich zwischen dem Abschluss an der Hotelfachschule und der neuen Rolle als junge Mutter. Ein Semester lang pendelte ich zwischen dem Baselbiet und Thun – zwischen dem freien Studentenleben und dem beschützenden Gefühl der Mutterschaft. Oft sass Giulia mit mir im Unterricht. Sie hat mit mir durchgehalten.

Heute, fast 20 Jahre später, hat sie ihre Matura bestanden. Im ersten Anlauf – aber nicht ohne Hürden.

Vor anderthalb Jahren sass sie am Küchentisch und sagte: „Mama, Papa, ich habe 13 Minuspunkte. Die Lehrer glauben nicht, dass ich das Jahr schaffe “ 
Als Eltern ist man natürlich besorgt. Auch wenn Sie niemals unter Druck setzten oder Erwartungen hatten. Ein Wiederholen war mit diesem Punktestand kaum möglich. Also boten wir ihr an, ein Auslandjahr zu machen und später wieder einzusteigen – mit dem Vorteil, dass ihr Englisch dann leichter fallen würde.

Nach einer Pause und meinem Vorschlag, zu Freunden in die USA zu gehen, sagte sie nur: „Ich überlege es mir zwei Tage lang.“ Eine klare Ansage. Wir dachten: Da gibt es doch nichts nachzudenken… Aber sie wollte selbst entscheiden – und wir sagten: „Okay, wir unterstützen jede Entscheidung, die du bewusst triffst.“

Zwei Tage später kam sie zurück: „Ich ziehe das jetzt durch. Es ist fast unmöglich, aber nicht ganz unmöglich. Ich probiere es. Wenn ich es nicht schaffe, ist es nicht mein Weg, dann mache ich eine Lehre. Aber ich möchte, dass ihr meine Entscheidung ohne Diskussion akzeptiert.“ Und das taten wir – auch wenn es schwerfiel. Kurz dachte ich: Jetzt wirft sie ihre Chance und das Auslandserlebnis weg. Aber ich wusste: Das Wichtigste ist, an die eigenen Kinder zu glauben und sie zu stärken. Ich selbst habe ja auch erlebt, was Wille bewirken kann.

Und dann ging sie in den Tunnel. Drei Monate lang lernte sie eisern, schloss das dritte Jahr dann sogar mit Pluspunkten ab – unglaublich! Niemand hätte es ihr zugetraut. Auch mit ihrer Maturaarbeit erzielte sie ein tolles Resultat. So ging sie vor einem Monat mit ein paar Punkten Reserve in die Maturprüfungen – und hat es heute tatsächlich geschafft.

Sie stand früh auf, lernte auch an den Wochenenden durch. Ihr Platz am Küchentisch war selten leer – versunken in Spanisch-Vokabeln oder ihr geliebtes Geschichtsbuch. Prioritäten hat sie eisern setzen können. 

Giulia hat bewiesen: Mit Wille, Disziplin und Vertrauen kann man scheinbar Unmögliches möglich machen. Man darf einfach nicht aufgeben. Doch sie hat mir noch etwas viel Wichtigeres gezeigt: Sie war ehrlich mit sich selbst, reflektierte klar, wo sie stand und am wichtigsten; sie übernahm die Verantwortung für ihre Entscheidung. Und genau das ist es was wir brauchen, um erfolgreich zu sein. 
Bravo, Giulia!