Wenn ich A sage, sage ich auch B. Und warum B das grösste persönliche Wachstum mit sich bringt
Die Zeiten sind gerade verrückt. Ich bekomme immer mehr mit, dass die Leute am Anschlag laufen. Das betrifft sowohl Menschen als auch Unternehmen. Wir haben wirtschaftlich gesehen, möglicherweise den Peak erreicht. Jetzt geht’s darum, erstmal das zu halten, was man hat. Die Ausgangslage ist nicht einfach. Vor allem, wenn man emotional, körperlich und auch wirtschaftlich am Anschlag ist. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Über drei Jahre hinweg habe ich mich von einer Minute zur anderen durchgekämpft. Ich war quasi 24/7 im Überlebensmodus. Ich habe mich dieser Verantwortung gestellt, obwohl ich nicht wirklich wusste, was ich da tat. Für mich ist das selbsternannte „A-B -C “ Prinzip eine wichtige Lebensregel: Wenn man A sagt, muss man auch B sagen. Vielleicht gibt es für C ja eine andere Lösung oder einen neuen Weg. Aber sicher lasse ich C nicht aus und gehe nicht einfach zu D oder E weiter, um mich der Verantwortung von B und C nicht zu stellen. Das sind die größten Herausforderungen im Leben. Wenn B schwierig wird, wird oft vieles schwierig. Man stößt oft mit vielen Themen an seine Grenzen, bis hin zu den menschlichen. Das Umfeld wird oft mehr in Mitleidenschaft gezogen, als einem lieb ist. Und da ist oft der größte Kampf, wenn man B sagen muss und für C eine Lösung zu finden hat, ohne A kaputt zu machen oder dem den Rücken zuzudrehen. Ja, es geht auch anders. Somit ist „B“ mein Schlüssel für so vieles.
Wie oft habe ich in den letzten Jahren gedacht, dass ich es nicht mehr schaffe. Ich schaffe es einfach nicht mehr, hämmerte es in meinem Kopf. Bestimmt hat niemand gemerkt, wie überlastet ich war und wie viele Themen mich gleichzeitig beschäftigt haben. Ich war zum Teil fast 24 Stunden erreichbar und habe nicht bei wenigen Telefonaten den „schwarzen Peter“ spielen müssen. Ich dachte, ich müsste es tun. Ich hatte dazu „A“ gesagt darum sagte ich auch „B“. Damals dachte ich, ich müsste mich gerade deswegen fast aufopfern. Heute sehe ich das anders. Trotzdem war das damals der richtige Weg, um mich der Verantwortung zu stellen und diese Situation erfolgreich zu meistern. Dies mit einem Weg, ohne dass ich etwas kaputt machte oder hingeschmissen habe, wo andere leiden mussten. Oder ich andere dafür verantwortlich machte.
Irgendwann war es so schlimm, dass ich morgens nicht mehr aufstehen konnte. Ich habe mir die Decke über den Kopf gezogen. Das Telefon klingelte neben mir. Mir war das ziemlich egal. Ich hätte am liebsten nur noch geschrien und alle um mich herum beschimpft und für mein Leid verantwortlich gemacht. Vielleicht habe ich das sogar ein- oder zweimal getan. Doch was genau habe ich getan und was hat mich dazu getrieben, so zu handeln, dass ich noch kurz vor dem Aufprall trotzdem „B“ sagen konnte? Vielleicht genau deshalb, weil mich mein Wert begleitete: Wenn du A sagst, dann sagst du auch B. Und da ist der Grat zwischen Inspiration, Trend und „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ sehr schmal, manchmal sogar ein seidener Faden.
Und eigentlich hat dann meine richtige Reise in die Tiefe der Seele und der eigenen Psyche erst begonnen. Auch wenn ich zwischendurch echt am liebsten aufgegeben hätte, weil ich komplett erschöpft war und keinen Mut und keinen Humor mehr hatte, bin ich wieder aufgestanden und Schritt für Schritt weiter gegangen. Ich weiß, dass viele aus meinem Umfeld, außer ein paar Leuten, die mir sehr nahestanden, nichts von meinem wirklichen Zustand wussten. Ich habe auch keine bewusste Auszeit genommen. Ich wollte mein Umfeld so wenig wie möglich damit belasten. Doch dies ist wahrscheinlich nicht selbstverständlich. Oder vielleicht schon. Ich glaube ich war kurz vor einem Burn–out in einer starken Erschöpfung gefangen. So wie es wahrscheinlich vielen geht. Das Wort Burn-out wird meines Erachtens zu schnell benutzt. Wahrscheinlich leiden wir mehr an Erschöpfung als an Burn–out. Den Unterschied sehe ich folgendermassen: Bei einer Erschöpfung habe ich die Möglichkeit, noch selbst die Verantwortung dafür zu übernehmen. Beim Burn-out ist die Erschöpfung soweit chronisch, dass man es nicht mehr schaffen mag, sich selber zu befreien. Doch ich weiss auch eigener Erfahrung; wir haben länger die Möglichkeit, uns aus eigener Kraft zu befreien, als wir uns das vielleicht zugestehen möchten. Vieles in uns ist ein Drama. Dieses Drama können wir jedoch lösen.
Warum habe ich so gehandelt? Weil es meine alleinige Verantwortung war, wie es mir ging, auch wenn ich auf manches keinen Einfluss hatte. Aber ich wusste, da muss man durch. Vielleicht wäre es für andere kein so großes Problem gewesen. Vielleicht wäre es auch für andere ein noch viel grösseres Problem gewesen. Man weiss es nicht, doch man sollte nie über die Herausforderungen oder Probleme anderer und deren Umgang damit urteilen. Genauso wenig, wie es etwas bringt, anderen zu erklären, wie viel man gerade leisten muss oder was man alles zu meistern hat und aus diesem Grund ein „Opfer“ ist. Jeder ist individuell. Jeder ist aus unterschiedlichen Gründen in einer Situation oder dort, wo er ist. Warum man sich überlastet oder in eine Überlastungssituation gerät, hat so viele Ursachen und Facetten. Und deshalb wusste ich, jetzt gibt es nur einen Weg, um innerlich wieder frei zu werden. Ich muss zwingend B sagen, aber so, dass ich es bewältigen kann und es ein C daraus gibt. Aber um B sagen zu können, muss ich mir erst einmal eingestehen, was ich kann und was nicht. Wo ich Hilfe brauche und wo nicht. Dies klingt einfach, aber es war der grösste „Selbstfick“, den man sich vorstellen kann. Dazu braucht es zuallererst ein Urvertrauen. Mit schminken geht jetzt gar nichts mehr. Und genau dieses Urvertrauen habe ich gefunden. Und dieses Urvertrauen hat mir schließlich die Kraft gegeben, ehrlich zu mir selbst zu sein. Und wenn man jetzt denkt; oh locker, nein alles andere war es – es war eine Reise von etwa 12 Monaten mit unglaublich viel Schmerz. Doch immer hatte ich im Hinterkopf. „Du hast A gesagt, also sagst du jetzt auch B und daraus gibt es dann C. Es hämmerte oft in meinem Kopf. Man zieht sich zurück. Und als erstes muss man paradoxerweise lernen, eben nicht mehr A zu sagen, sondern den Mut zu haben, viele spannende A’s einfach loszulassen und an einem vorbei ziehen zu lassen. So schnell ist das „A“ gesagt, ohne zu wissen, was es für das „B“ bedeutet. Aber was ich definitiv weiss;
Um B sagen zu können gibt es nur einen Weg. Zu seiner Verantwortung stehen! Und seine Verantwortung bedeutet nicht diese jemandem abzugeben oder jemanden für diese verantwortlich machen. Ebenso in dieser ganzen Schwere und vielleicht Hilflosigkeit ist dann obendrauf das Wichtigste, sein Herz nicht zu verschliessen und anstatt seine Mitmenschen für sein eigene Situation verantwortlich zu machen, ihnen dankbar sein und vielleicht einmal mehr zu seinen Fehlern zu stehen, als diese beim Gegenüber zu suchen. Und jetzt pack ich noch einen obendrauf. Viele Mitmenschen sind gerade in schweren Situationen eigene Spiegel. Nur zu gerne würde man diese wegschlagen oder wütend anschreien. Wie so oft auch sein eigenes wirkliches Spiegelbild. Doch diese Spiegel sind unsere Wegweiser. Diese Resonanz muss man mit Demut annehmen und die Enttäuschungen oder auch Wut mit Dankbarkeit würdigen. Dies sind unsere stillen Engel auf dem Weg aus dem Dilemma. Engel sieht man nicht oder in diesem Fall meistens erst, wenn man aus dem Tunnel wieder das Licht erblickt.
Und dann schafft man es plötzlich, seine „Unruhe“, seine „Erschöpfung“ umzuwandeln in ein unglaubliches inneres Wachstum und wird dadurch fähig, wieder „A„ zu sagen. Jedoch dann oft mit anderen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen. Man weiß, wie viel Verantwortung man tragen kann und was für einen selbst möglich ist und genau aus diesen Gründen ist das „B“ dann meist keine so grosse Herausforderung mehr, sondern ein leichter Flug zum „C“ und dieses „C“ hat meist noch einen viel größeren Output als man sich je hätte vorstellen können.
Oder um es mit dem Peak vom Anfang auszudrücken.
Wenn der Peak erreicht ist, muss man einen Schritt zurück machen, um das zu halten, was man hat, sonst bläst es einem den Wind aus den Segeln. Wenn der Peak erreicht ist, muss man dringend die Handbremse ziehen, auch wenn man noch schneller fahren möchte. Oder wenn die Kuh fast ausgemolken ist und man denkt, dass sie noch mehr hergeben könnte, sollte man lieber zur Kuh schauen, dass sie auch in 2 Jahren noch etwas gibt, als das letzte in diesem Moment auszumelken und sie dafür in 2 Jahren tot ist… oder so ähnlich;-)