Wenn man merkt, dass der Ölwechsel fällig ist, ist es vielleicht Zeit zu gehen

Es war nicht so geplant. Doch Corona und verschiedene Umstände haben mich dazu gezwungen, nebst der strategischen Führung des Verbandes auch die operative Leitung des Kurs-, oder besser bekannt des Gastrozentrums sehr kurzfristig zu übernehmen. 

Es hat positive Aspekte, wenn man aus der Sicht der strategischen Führung tief in die operativen Geschäfte blicken kann. Man lernt, die Zusammenhänge zu verstehen und man lernt auch, weshalb gewisse Dinge nicht so einfach funktionieren, wie ein Entwurf auf Papier dies suggeriert.

Vorteilhaft ist die doppelte Hebelwirkung, um Ziele zu erreichen. Ich war in der komfortablen Lage, unserer Organisation eine neue Richtung geben zu können. Dazu passt, was der ehemalige Regierungsrat Thomas Weber an einer unserer GVs sagte: „Es braucht Hartnäckigkeit und Liebenswürdigkeit in Kombination – das brachte Fabienne mit». Andererseits waren Dinge auch einfach da und ich hatte die Kraft, sie umzusetzen. Operative Führung braucht Kraft, anders als strategische. Wenn man das Öl im Getriebe sein kann, läuft es super. Es läuft dann auch Hand in Hand mit der Strategie. Man kann Projekte schnell umsetzen.
Ein wichtiger Grund dafür ist, dass Werte klar sind und zur Strategie passen. Doch irgendwann dreht das Rad immer schneller und man kommt fast nicht mehr nach, die Strategie anzupassen und weitsichtig zu bleiben. Und dann beginnt man, sich unterbewusst zu blockieren. Und zwar auf beiden Seiten. Man blockiert die Strategie, weil man operativ schon ein ziemlich schnelles Tempo fährt. Und meistens merkt man ja auf der Strasse auch erst, wenn es geblitzt hat, dass man zu schnell unterwegs ist. Und dann blitzt es plötzlich immer häufiger. Zu vieles Blitzen oder zu lange in eine falsche Richtung ohne Navigator zu gehen, kann in einer Sackgasse enden. Und genau das merkte ich. Und je fester mein Herz an das Tagesgeschäft wuchs, desto mehr merkte ich, dass ich zwar Tempo machte, das Tempo aber nicht mehr mit allem Schritt halten konnte. 

Und so entschied ich mich, wieder einen Schritt zurückzutreten. Wieder vermehrt die Vogelperspektive einzunehmen und mich aus dem Operativen etwas zurückzuziehen. Der neue Geschäftsführer startete und wir einigten uns auf eine organische Übergabe. Es ist sehr wichtig für unsere Branche, Vieles von Grund auf zu hinterfragen und sauber aufzuarbeiten. Und einige Zeit nach der Übergabe merkte ich, dass ich nun in meiner Funktion und mit meiner Geschichte im neuen Team und für die neue Geschäftsführung hinderlich war. Und da sass ich und merkte, jetzt ist es Zeit für einen Ölwechsel, jetzt bist Du sowas wie altes Öl im Getriebe, welches mit der Zeit ja auch seine Viskosität verliert. Und dies ist eine meiner grössten bisherigen Lebenserfahrungen. Etwas loslassen, operative Verantwortung abgeben und auf die strategische Ebene konzentrieren. Mich rausnehmen und in eine neue Rolle schlüpfen. Und zwar nicht in einer neuen Organisation, sondern immer noch als Präsidentin der bisherigen Organisation. 

Dieser Prozess zeigt mir 1:1 auf, was an der Rollenverteilung in jeder Organisation wichtig ist. Auch die Themen ändern sich. Manchmal braucht es mehr Richtungsarbeit und dann wieder vermehrte Basisarbeit. Basisarbeit verlangt Fachkompetenz. Ich bin nicht die Fachspezialistin und aus diesem Grund war es umso nötiger, ein Team mit tiefem, breitem und grossem Fachwissen zusammenzustellen. Nach einigen Wochen der gemeinsamen operativen Führung verabschiedete ich mich am letzten Donnerstag definitiv aus dem «Maschinenraum».  Und was macht das mit mir? Wehmut, aber auch Freude. Was braucht es zum Loslassen? Es braucht Mut. Viel Mut. Dass man Altes loslässt und Platz macht für neue Ideen und vor allem neuen Elan und neue Energien. Doch manchmal ist es für ein Unternehmen auch die einzige Lösung, um sich zu wandeln und zu verändern. Mein Fazit: Ich gebe immer mein Bestes an dem Ort, wo ich bin. Doch manchmal ist es das Beste, Platz zu schaffen für neue Ideen und Perspektiven in Form einer neuen, zusätzlichen, anderen Person. Nicht weil man selbst nicht gut genug ist, sondern weil andere Qualitäten gefragt sind. 

Nur so passen am Schluss auch alle Teile zusammen und ergeben ein Ganzes.